Meine Arbeit als Übersetzerin
Seit einigen Jahren nun arbeite ich als freiberufliche Übersetzerin.
In erster Linie übersetze ich Anime (+ Booklets, Bonusmaterial, etc) aus dem Japanischen ins Deutsche.
Wenn ich einen Auftrag für die Übersetzung eines Anime bekomme, beginnt erst einmal die Recherche. Um was für einen Anime handelt es sich? Was erwarten die Fans? Welche Schreibweisen und Charakternamen sind gängig? Gibt es schon einen Manga auf deutsch zur Serie? Falls ja, kaufe ich mir den ersten Band zur Serie, damit meine Übersetzung nicht völlig anders wird, als es die Fans gewöhnt sind.
Allerdings nehme ich mir schon die Freiheit heraus, Stellen anders zu übersetzen, wenn ich der Meinung bin, dass es im Manga falsch übersetzt wurde, bzw nicht meinen Vorstellungen entspricht (gerade wenn es um die Anreden geht).
Wenn die Lizensierung erfolgt ist und der japanische Verlag das Material dem deutschen Verlag geschickt hat, werden Drehbuch zum Film und Film an mich weitergeleitet.
Ich sehe mir den Film an und lese dabei das Drehbuch.
Meine erste Aufgabe ist nun eine Rohübersetzung vom Drehbuch zu erstellen. Das heißt, ich übersetze das ins Deutsche, was die Charaktere im Film sprechen. Außerdem übersetze ich alles, was im Film selbst an Japanischem (und auch Englischem) gezeigt wird, wie Texteinblendungen, Schilder, etc.
Da es sich um eine Rohübersetzung handelt, übersetze ich möglichst originalgetreu und wenn es Not tut, wird in Klammern eine Erklärung oder Alternativübersetzung angefügt.
Zusätzlich achte ich darauf, dass ich den Sprachstil dem Charakter anpasse und dass auch das Deutsche vom Sprachrhythmus her (Zeitlänge des Gesprochenen, Pausen beim Sprechen, etc) stimmig ist.
Oftmals ist es jedoch schwierig, das 100% genau hinzubekommen, da zum einen in Japan ganz anders gesprochen wird (oftmals viel höflicher) und zum anderen es auch viele Floskeln in Japan gibt, die man im Deutschen gar nicht kennt.
Manchmal tauchen auch Slang-begriffe auf. Jugendsprache, Straßenjargon, etc. Das sind Wörter, die man in keinem Wörterbuch findet. Das sind dann Stellen, die sehr, sehr viel Zeit kosten. Internetrecherche, japanische Freunde und Bekannte fragen, im japanischen Netzwerk fragen ...
Manchmal habe ich Glück und es findet sich jemand, der den Begriff kennt. Aber oft bleibt die Recherche erfolglos und dann bleibt einem nichts weiter übrig, als wie all die anderen Übersetzer (Manga-Übersetzer, Fansubber) auch, sich eine geeignete sinngemäße Übersetzung zu überlegen.
Man schaut sich also den Film an und versucht, ein Gefühl für die Charaktere zu bekommen. Auch gibt es im Japanischen kein "du" und "Sie". Da ist Fingerspitzengefühl gefragt, ob man einen Charakter den anderen duzen lässt oder siezen lässt. Auch die Anreden bieten so manches Kopfzerbrechen. "Oneesan" für große Schwester, "sempai" für Senior ... Was in Japan normal ist, klingt in deutschen Ohren merkwürdig. Deutscht man es also ein und nimmt die Namen, wie man es in Deutschland handhaben würde? Wieviel opfert man vom japanischen Original, um das Deutsche gängig klingen zu lassen?
So kommt es, dass jeder Übersetzer seinen eigenen Stil hat.
Die Rohübersetzung wird dann an den Drehbuchautor geschickt, der das deutsche Drehbuch für die deutschen Synchronsprecher schreibt.
Dieser muss nun auf Lippensynchronität achten, Seufzer und ander Laute berücksichtigen und das Ganze gegebenenfalls in ein flüssiges Deutsch umschreiben. Falls nötig darf dieser auch Füller einarbeiten oder etwas streichen, damit der Sprachrhythmus stimmt.
Ich bin immer ganz stolz, wenn der Drehbuchautor kaum Änderungen an meiner Übersetzung vornehmen muss, weil das heißt, dass ich gut übersetzt habe.^^
Die meisten Änderungen, die vorgenommen werden, sind übrigens bei den Anreden oder bei Begriffen, die ich englisch gelassen habe (z.B. bei Black Butler: Yes my Lord) und die dann vom Drehbuchautor eingedeutscht wurden.
Das deutsche Drehbuch geht dann zurück an den Verlag. Der dortige Redakteur hat schließlich das letzte Sagen und nimmt seinerseits hier und dort Änderungen vor.
Dann beginnen die Aufnahmen der Synchronsprecher, die anhand des Drehbuchs ihren Text einsprechen.
Meine nächste Aufgabe ist es nun, die Untertitel für den Film zu erstellen.
Dazu bekomme ich vom Verlag einen Film mit Zahlen, sowie eine Excel-Tabelle.
Für jede Zahl im Film gibt es eine Zeile in der Tabelle, in die ich dann den deutschen Text einfüge.
Wer jetzt denkt, dass das einfach nur Copy&Paste ist, der liegt falsch.
Bei den Untertiteln ist es wichtig, dass man sie in einer bestimmten Zeit bequem lesen können muss, außerdem darf die Länge des Satzes (Buchstabenanzahl + Leerzeichen) natürlich auch nicht das Bild sprengen. Weiterhin sind nur zwei Zeilen zugelassen. (Dann gibt es noch eine Menge weiterer Regeln, aber das würde hier zu weit führen.)
Bei schnell gesprochenen Sätzen kommt man da ganz schön ins Schwitzen. Da hilft in der Regel nur eins. Man muss das Gesagte sinngemäß wiedergeben.
Z.B diese Rohübersetzung:
"Während des Tanzes darf man sich nicht ablenken lassen."
Dieser Satz ist 10 Zeichen zu lang für die Untertitel-Zeile.
Wie würdet ihr ihn also abkürzen?
Macht doch Spaß, oder? *g*
Außerdem sollten die Untertitel, wenn man sie liest, der Länge des Gesprochenen entsprechen.
Ziel ist es, wenn der Leser die Untertitel flüssig mitlesen kann und am Ende des Films gar nicht mehr weiß, ob er den Film in Deutsch oder mit UT gesehen hat.
Leute, die sich den Film in der Synchro anschauen, wollen meist ein flüssiges Deutsch und für Deutsche übliche Anreden.
Leute, die sich den Film lieber in Original mit Untertiteln anschauen, sind meist eingefleischte Fans, die auch Wert auf Originalität legen und die Namen mit Endungen (z.B. Mari-san statt Mari, sensei statt Frau Lehrerin bzw Frau xxx) bevorzugen.
Daher benutze ich für die Untertitel die japanische Anredeform.
Die fertige Tabelle geht dann wiederum an den Redakteur, der sie nach Rechtschreibfehlern etc durchsieht und gegebenfalls auch den Wortlaut ändert. Dann durchläuft die Tabelle noch weitere Qualitätskontrollen. Näheres würde aber auch hier zu weit führen. Darf euch ja nicht alles verraten. :-P
Zum Schluss noch ein paar Dinge, die mich aufregen, und was ich schon immer mal sagen wollte:
Hin und wieder tauchen Vorwürfe auf, die mich echt aufregen.
Z.B. von Leuten, die japanisch können: "das ist ja ganz falsch untertitelt"
Argh. Solange der UT sinngemäß ist, ist doch alles im Grünen. Und manchmal kann man halt aus obigen Gründen Sätze nicht wortwörtlich wiedergeben.
Allerdings muss ich anmerken, dass mir selbst auch schon einige richtige Übersetzungsfehler untergekommen sind, bei mir selbst und auch bei der Korrektur von anderen Übersetzungen.
Niemand ist perfekt.
Oder. "das ist falsch übersetzt (im Anime), denn im Manga wurde es anders übersetzt"
In der Regel kommen die Manga vor den Anime auf den Markt.
Die Fans haben also schon eine gewisse Erwartungshaltung. Doch wie bereits oben erwähnt, ist die Manga-Übersetzung nicht immer perfekt und oft ist der Anime auch etwas von der Mangavorlage abweichend.
So kam mal der Vorwurf, dass Sebastian aus Black Butler von den anderen Dienern nicht gesiezt wird. Und dass da ein Blick in den Manga geholfen hätte. Da gehe ich echt die Wände hoch!
Als ob die Manga-Übersetzung das Nonplusultra wäre. Ich habe Manga und Anime sorgfältig studiert und kenne mich ganz gut aus im japanischen Beziehungssystem.
Und damit war für mich klar, dass die anderen Diener Sebastian siezen!
Ein anderer Vorwurf lautete, dass Ciel aus Black Butler seine Tante mal siezen würde und ein anderes Mal duzen. Anstatt dass die Fans mal genauer hinschauen, schieben sie gleich die Schuld auf den Übersetzer. :-(
In der Öffentlichkeit siezt Ciel seine Tante, im privaten Bereich nicht. Hallo? Wir haben 1890! Da hat man etwas steifer geredet!
Nun ja, es gibt immer Leute, die meckern müssen und alles besser wissen wollen.
Im Endeffekt ist es wichtig, dass ich mein Bestes gebe und dass der Dialogbuchschreiber meine Übersetzung gut findet (was der Fall ist) und auch der DVD-Verlag meine Arbeit schätzt (was er tut).
Und natürlich wenn meine Freunde meine Arbeit ebenfalls gut finden. :-D